BAG-Urteil vom 07.02.2025 – 5 AZR 177/23 –
BAG-Urteil vom 07.02.2025 – 5 AZR 177/23 –

BAG, Urteil vom 28.01.2025 – 9 AZR 48/24 –: Gehaltsabrechnung – Bereitstellung auf Online-Abrechnungsportal

Das BAG hat in einer arbeitgeberfreundlichen Rechtsprechung entschieden, dass Gehaltsabrechnungen den Arbeitnehmenden auch dann zugehen, wenn sie auf einem vom Arbeitgeber bereitgestellten Online-Portal eingestellt werden und der Arbeitnehmer diese über einen Login abgerufen werden können.

Gegenstand der Entscheidung ist § 108 Abs. 1 S. 1 GewO. Dieser lautet: „Dem Arbeitnehmer ist bei Zahlung des Arbeitsentgelts eine Abrechnung in Textform zu erteilen.“ Der Anspruch entsteht also erst im Zeitpunkt der Auszahlung von Arbeitsentgelt an den Arbeitnehmer.

Sachverhalt:

Viele Dienstleister für Lohnbuchhaltungssoftware, wie z.B. DATEV oder Addisson haben den angeschlossenen Lohnbuchhaltungsbüros und Arbeitgebern mit eigener Lohnbuchhaltung Datenbanksysteme angeboten, bei der die Abrechnungen auf den Servern des Dienstanbieters eingestellt werden und Arbeitnehmer diese Abrechnungen entweder über eine App oder über einen Browser abrufen können. Der Login auf diesen Systemen erfolgt über vom Arbeitnehmer zu wählenden Login-Daten (E-Mail-Adresse / Passwort). Viele Arbeitnehmer haben es während des laufenden Arbeitsverhältnisses unterlassen, die auf den Portalen eingestellten Abrechnungen auf eigene Datensystem zu laden. Später, insbesondere im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, entstand dann oft der Streit, ob der Arbeitgeber bereits eine Gehaltsabrechnung im Sinne des § 108 GewO „erteilt“ hatte.

Einordnung:

Man möchte nun meinen, der Arbeitgeber kann im Streitfall diese Abrechnung doch einfach nochmal zur Verfügung stellen, schließlich ist er ohnehin zur Aufbewahrung dieser Daten rechtlich verpflichtet. Diese Frage ist, neben dem durch die nochmalige Erteilung verbundenen Verwaltungsaufwand, für Fälle, in denen z.B. Überstundenabgeltung geltend gemacht werden, und der Arbeitgeber sich auf eine arbeitsvertragliche Ausschlussfrist berufen möchte, oft streitentscheidend.

Erst mit der Erteilung einer Abrechnung fangen Ausschlussfristen zu laufen.

Bisherige Rechtsprechung der Instanzgerichte:

Unstreitig kann Abrechnung dem Arbeitnehmer digital, z.B. als PDF, zur Verfügung gestellt werden. Nach bisher herrschender Auffassung der Arbeits- und Landesarbeitsgerichte handelt es sich hierbei um eine sog. „Bringschuld“ des Arbeitgebers, die von diesem nicht durch dadurch erfüllt werden kann, dass der Arbeitgeber die Abrechnung auf einem Online-Portal einstellt und den Arbeitnehmer über diese Bereitstellung informiert. Erst wenn der Arbeitnehmer sich tatsächlich einloggt und die Abrechnung herunterlädt, sei die Abrechnung derart in den Herrschaftsbereich des Arbeitnehmers gelangt, dass von einer Erteilung ausgegangen werden könnte. Der Arbeitgeber hätte daher jede Abrechnung zum Beispiel auf einem Datenstick oder durch Übersendung per Mail mit Empfangsbestätigung den Abrechnungsanspruch erfüllt. Bereits bei kleineren Arbeitgebern wäre dies, anders als bei den sonst sehr komfortablen Abrechnungsportalen, mit erheblichem Aufwand verbunden und arbeitsvertragliche Ausschlussfristen währen bezüglich Ansprüche auf ergänzende Gehaltsabrechnungen im Wesentlichen leergelaufen.

Rechtsprechung des BAG:

Das Bundesarbeitsgericht hatte sich sofern ersichtlich hier erstmals in der hier zitierten Entscheidung mit dieser Frage beschäftigen können.

Erfreulicherweise hat das BAG den Weg für digitale Abrechnungsportale geebnet. Mit der Bereitstellung eines persönlichen Logins sei – jedenfalls sofern der Arbeitsvertrag oder andere verbindliche Regelungen (Betriebsvereinbarungen oder Tarife) dies regeln (Anm. des Verfassers) – auch dadurch bereits eine Abrechnung im Sinne des § 108 Abs. 1 S. 1 GewO erteilt, sobald eine Abrechnung auf dem Abrechnungsportal eingestellt hat und der Arbeitnehmer sich auf dem Portal einloggen kann.

Das BAG hat den Fall zur nochmaligen Entscheidung an das vorinstanzliche Landesarbeitsgericht zurückverwiesen, da der für das BAG bindende Sachverhalt eine Entscheidung in der Sache nicht zuließ.

Es bleiben damit noch einige praxisrelevante Fragen offen:

z.B.

  • Wie lange, insb. nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses, muss eine Abrechnung auf dem Portal eingestellt bleiben?
  • Muss der Arbeitnehmer auf anderem Wege über die Einstellung neuer Dokumente, z.B. per Mail, informiert werden oder genügt die Auszahlung des Gehalts aus, damit der Arbeitnehmer davon ausgehen kann, dass eine neue Abrechnung erteilt wurde?
  • Muss eine solche Abrechnungsart im Arbeitsvertrag geregelt sein oder kann der Arbeitgeber auch später auf eine Bereitstellung über ein Abrechnungsportal einseitig umstellen?

Empfehlung für die Praxis:

Unseres Erachtens sollten Arbeitgeber, die derartige Portale nutzen, ihre Arbeitsverträge um eine entsprechende Regelung ergänzen. Auch bei Arbeitgebern, die derartige Systeme derzeit noch nicht nutzen, kann eine entsprechende „Option“ im Arbeitsvertrag verankert werden.

Arbeitnehmer sollten im Onboarding-Prozess Zugangsdaten selbst vergeben und hierbei den dringenden Hinweis erhalten, eine private E-Mail-Adresse zu verwenden, damit bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses oder Änderung beruflicher E-Mail-Adressen ein Zugriff auf das Abrechnungsportal (Rücksetzung des Passworts) gewährleistet ist.

Weiter sollte die Einrichtung des Erstzugriffs durch den Arbeitgeber dokumentiert und in der Personalakte vermerkt werden.